PALESTINE

FIRST PUBLISHED 30 MAY 1940
REPRINTED DEC. 1941
KARTENMATERIAL
Das Problem Palästinas
Wie schwer das Problem
Palästinas
auch zu lösen sein mag, es ist leicht zu charakterisieren. Palästina ist
ein kleines Land. Bis 1918 war es ein Teil des Osmanischen Reiches.
Heute gibt es dort nicht ganz eineinhalb Millionen Einwohner. Doch jedes
Ereignis und jedes Unternehmen in Palästina beeinflusst die Interessen
von drei vollkommen unterschiedlichen Völkern, von denen jedes weltweite
Beziehungen hat – die Briten, die Araber und die Juden.
Es ist nicht
überraschend, dass es sich unter solchen Umständen als extrem schwierig
und oftmals unmöglich erwiesen hat, eine Formel oder einen Plan zu
finden, der alle Partner gleichermaßen zufrieden stellt. Der einfachste
Weg, um ein klares Bild zu bekommen, ist derjenige, erst einmal die
unterschiedlichen Positionen eines jeden einzelnen Elements in der
palästinensischen Situation gegen Ende des letzten Krieges zu betrachten,
und zwar ohne dabei Bezug zu den anderen zu nehmen.
Die
Briten in Palästina
Der Feldzug im Nahen
Osten während des Ersten Weltkrieges von 1914-1918 war eine
unvermeidliche Entwicklung der Strategie der Alliierten. Es war
unmöglich den Türken, die mit den Deutschen verbündet waren, zu erlauben,
die lebenswichtigen Verbindungen des Britischen Reiches durch ihre
Kontrolle über die Ostseite des Suezkanals und die Ostküste des Roten
Meeres zu bedrohen. Deshalb rückte Allenby im Herbst 1917 nach Palästina
vor. Im Dezember desselben Jahres drang er in Jerusalem ein. Die
arabischen Wüstenbewohner, die von Emir Feisal mit Hilfe Lawrences von
Arabien geführt wurden, drängten unterdessen die Türken nach Norden und
drangen im Herbst 1918 in Damaskus ein.
Nach dem Krieg wurde
Palästina sogar noch wichtiger. Zum Schutz der Briten war weiterhin eine
Kontrolle über das Ostufer des Kanals erforderlich. Die Erschließung der
Luftverbindungen des britischen Reiches machten Palästina zu einem
potenziellen Verbindungsstück für die Flugstrecken nach Indien und in
den Fernen Osten. Die Wüstenstraße nach Bagdad konnte vom Land aus
erreicht werden. Und ein Ende der Ölpipeline, die ihren Ursprung im
irakischen Kirkuk hatte, mündete in den palästinensischen Hafen Haifa,
der außerdem einer der besten Marineposten im östlichen Mittelmeer war.
So sieht das grundsätzliche Interesse der Briten an diesem Land aus. Es
ist analog zum Interesse, das in der Vergangenheit zur britischen
Kontrolle über Gibraltar, Malta oder Singapur geführt hat. Es ist ein
lebenswichtiges Glied in der Kette eines weltweiten Reiches. Sein
Schicksal kann Großbritannien nicht gleichgültig sein. In früheren Tagen
hätte Großbritannien das Land nach der Eroberung einfach annektiert.
Aufgrund der heutigen Umstände erhielt Großbritannien es nach dem Krieg
von der Liga der Nationen als Mandat.
Unter diesem
Gesichtspunkt ist es das wichtigste, dass das Land sicher ist und die
Wirtschaft darin floriert, denn ein schwaches und geteiltes Land bietet
endlose Gelegenheiten zu intrigieren und es gibt verschiedene Mächte,
die willentlich genug wären, in seinen trüben Wassern zu fischen.
Die
Araber
Soweit es die Einwohner
betrifft, gab es 1919 keine palästinensische Nationalität wie
beispielsweise im Sinne einer portugiesischen Nationalität, die ziemlich
klare Indikationen der natürlichen Gebiete des portugiesischen Staates
aufweist. Die gegenwärtigen Grenzen Palästinas, die für einen Engländer
oder einen Juden mehr oder weniger vertraut mit denen auf Landkarten des
Palästina aus biblischen Tagen sind, wurden erst nach der Konferenz von
Versailles festgelegt. Das Land war Teil zweier türkischer Provinzen und
seine Einwohner waren Teil der ausgedehnten arabischen Sektion des
Osmanischen Reiches, die sich vom Mittelmeer bis nach Persien erstreckte.
Sie dachten von sich selbst nicht als Palästinenser, sondern als Syrer,
die Teil der moslemischen Welt und Teil des arabischen Volkes waren.
Folglich identifizierten sie ihre Situation einerseits mit der anderer
arabischer Staaten des Nahen Ostens. Andererseits waren Moslems der
ganzen Welt an ihren Umständen interessiert, da Jerusalem die
drittheiligste Stadt der moslemischen Welt ist.
1922 wurde die erste
Volkszählung in diesem Gebiet vorgenommen. Die arabischen Einwohner
betrugen etwa 664.000, davon waren 73.000 Christen. Mehr als die Hälfte
der moslemischen Araber waren Bauern, die etwa die Hälfte des Bodens von
Palästina bebauten und dies mit Methoden, die sich seit biblischen Tagen
nur wenig geändert hatten. Der Hauptgrund für diese Situation liegt
sowohl in der Armut des Bodens wie in derjenigen der Bauern und beide
Faktoren sind miteinander verbunden und halten die erfolglosen Einwohner
in einem Status von ständiger Verschuldung. Der Araber war weder faul
noch sorglos. Sein eisenbeschlagener Holzpflug und seine Sichel für die
Ernte waren die effektivsten Geräte, die innerhalb seiner Möglichkeiten
lagen. Verbesserter Anbau und die Ausdehnung der bebauten Gebiete waren
nur mit Kunstdünger und Bewässerung möglich. Beides konnte sich der
Landwirt nicht leisten. Ein großer Teil des Landes gehörte einer kleinen
Anzahl von Grundbesitzern, von denen manche außerhalb des Landes lebten
und an den Bedingungen ihrer Pächter ganz und gar uninteressiert waren.
Ein weiterer Großteil des Landes wurde kommunal gehalten. Doch selbst
wenn ein Dorf sein eigenes Land besaß, gab es keinen Anreiz für den
Einzelnen, die Erde seines Landes ertragreicher zu kultivieren, denn
nach ein paar Ernten wechselte es den Besitzer.
Ein Zehntel der
moslemischen Araber waren immer noch wandernde Hirten, die in Stämmen
lebten und ihre Herden auf großen, jedoch nur vage abgegrenzten Weiden
grasen ließen. Es gab kein wirklich genaues Grundbuch. Dies war eine
Situation, die in den frühen Jahren der britischen Administration
beträchtliche Schwierigkeiten hervorrief. Bis jetzt konnte dieser
Situation noch nicht vollständig abgeholfen werden.
Die christlichen Araber
lebten mehr in der Stadt und stellten einen hohen Anteil an
Berufstätigen, Beamten und Handwerkern. Ein reicher Moslem war meistens
unabänderlich ein Landbesitzer. Ein reicher Christ war oft ein Kaufmann
oder Beamter. Das städtische Proletariat war klein, denn große Städte
gab es nur wenige und das kommerzielle oder industrielle Leben war
extrem rückständig.
Die
Juden
Die Juden sind sowohl
die ältesten wie auch die jüngsten der niedergelassenen Einwohner
Palästinas. Während es wahr ist, dass die Umstände, die mit ihrer
dramatischen Rückkehr in ihre „nationale Heimstätte“ der Grund für die
gegenwärtigen Komplikationen sind, so ist es auch wahr, dass dieses
jüdische Unternehmen bei weitem den interessantesten Teil der Geschichte
dieser letzten zwanzig Jahre in Palästina liefert.
Während der letzten
zweitausend Jahre hat es niemals vollständig an jüdischen Einwohnern
gefehlt. Manchmal war die Zahl auf Hunderte beschränkt gewesen, manchmal
waren es Zehntausende. Einige gab es dort immer. Sie kamen ins „Land
Israel“, um den gefallenen Zustand ihrer Nation zu beklagen, um sich
selbst in religiösem Leben und in der Geschichte zu vergessen oder um
dort auf heiligem Boden zu sterben. Erst in der zweiten Hälfte des
neunzehnten Jahrhunderts begannen kräftige junge Juden dorthin
zurückzukehren, nicht, um dort zu sterben, sondern um dort zu leben,
nicht, um auf heiligem Boden zu studieren, sondern um diesen zu bebauen.
Aus dieser Rückkehr nach Zion wurde der Zionismus geboren. Verfolgungen
in Russland und sogar in Westeuropa spornten ihn an. 1914 gab es bereits
mehr als 10.000 jüdische Siedler, die 90.000 Morgen palästinensische
Erde besaßen oder bebauten.
Gleichzeitig waren diese
Siedler nur eine kleine Minderheit der tatsächlichen jüdischen
Bevölkerung des Landes im Jahre 1914. Jerusalem war bereits eine Stadt,
in der die Mehrheit der Einwohner Juden waren. Die meisten von ihnen
waren allerdings altmodische und religiöse Menschen, die nichts taten um
das Land zu bebauen oder ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Ähnliche
Gruppen lebten in Hebron und im Norden. Doch an ihrer Seite entwickelte
sich eine städtische Bevölkerung, die aus Handwerkern und Händlern
bestand. Diese waren vom gleichen Ideal besessen, durch das die
Siedlungen geschaffen wurden – dem Wiederaufbau einer nationalen
Heimstätte im Land der Vorfahren.
Doch
das Leben unter türkischer Herrschaft war ungewiss. Ihre Position war
nie wirklich sicher. Deshalb hießen sie die Ankunft der Briten und die
Übergabe des Landes an die britische Herrschaft erleichtert willkommen.
Aus dem Gebiet, das von den Briten kontrolliert wurde, meldeten sich
viele freiwillige Siedler, die sich daran beteiligten, die Türken aus
dem Land zu fegen. Es war typisch für ihre Gesamtauffassung, dass unter
dem donnernden Geräusch von Geschützen der Grundstein für die Hebräische
Universität außerhalb von Jerusalem gelegt wurde.
Wird fortgesetzt...
haGalil onLine 05-04-2002 |